Thilo Sarrazin und die Linkswähler

Man kann von Thilo Sarrazin halten, was man will. Dass er sich, seinem Amt als Bundesbankvorstand und wohl auch dem Ruf Deutschlands mit seinen Thesen keinen Gefallen getan hat, darüber herrscht in der Bundesrepublik inzwischen eine große Einigkeit. Völlig uneinig ist die Bevölkerung bei der Bewertung der Thesen. Da gehen die Meinungen weit auseinander.

Um das Sommerloch zu füllen, hat Emnid im Auftrag von „Bild am Sonntag“ nun eine Umfrage durchgeführt. Auf die Frage, wer eine Partei wählen würde, die von Thilo Sarrazin geführt werden würde, waren 18 Prozent der befragten der Meinung, dass dies für sie eine Alternative wäre. Dies ist ein beachtlicher Wert, aber keinesfalls ein „Schock für die etablierten Parteien“, wie das Springer-Organ schrieb. In der Vergangenheit haben ähnliche Sonntagsfragen durchaus öfters schon zu solchen Ergebnissen geführt. Viel beachtenswerter ist jedoch die politische Selbsteinschätzung der Befragten, die für eine solche Partei stimmen würde.

Nur rund 17 Prozent der Unionswähler, die man hier gerne an den rechten Rand drängen würde, stimmten für eine solche Partei. Sieger der bisherigen Parteien war die Linkspartei: 29 Prozent der linken Wähler würden eine solche Partei wählen. Fassen wir doch einmal die Positionen der beiden Kontrahenten zusammen. Da ist der ehemalige Berliner Finanzsenator Sarrazin, der die Zuwanderung in Deutschland kritisch sieht und mit einigen Thesen bei einen Teil unserer Bevölkerung auf völlige Unverständnis, beim anderen Teil auf leichte bis große Zustimmung stößt. Und da ist die Linkspartei, die sich Ausländern und Zuwanderung sehr offen zeigt und jede Kritik daran sofort mit historischen Gegebenheiten kontert. Und nun offenbart diese Umfrage, dass 29 Prozent der Linksparteiwähler eine Partei von Thilo Sarrazin unterstützen würden. Auch wenn viele Umfragen das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind, gibt einem dieses Ergebnis zu denken.

Weniger zu denken gibt die Umfrage Thilo Sarrazin. Er kämpft weiterhin darum, Mitglied der SPD bleiben zu dürfen und denkt offenbar nicht im Geringsten daran, eine eigene Partei zu gründen. Auch vom seinem Posten als Vorstandsmitglied der Bundesbank scheint er aktuell nicht Abstand nehmen zu müssen. Wie jetzt bekannt wurde, hat er dem Gesamtvorstand bereits Mitte August sein Buch zur Kenntnis gegeben. Wenn jetzt erst der Bundesbankvorstand Konsequenzen ziehen würde, wäre dies ebenso beachtlich wie die große Zahl der Linkswähler, die Thilo Sarrazin unterstützen.

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