Das Telefon klingelt dumpf. Soll ich rangehen? Denn wo zum Teufel habe ich das Mobilteil vergraben? Ich überlege und schaue auf die Uhr. 19:23 Uhr. Ich entscheide mich, dass ich das Telefon nicht suche. Wer soll schon um diese Uhrzeit anrufen? Also wühle ich mich weiter durch die Berge Papier auf meinem Schreibtisch. Das Telefon klingelt immer weiter. Und wenn es was wichtiges ist?, denke ich. Vielleicht ist jemand krank, braucht meine Hilfe oder Weiss-Gott-was? OK, ich falle in Panik. Ich suche das Mobilteil. Wo kann es nur versteckt sein? Fernseh-Fernbedienung und Mobilteil üben eine große Faszination auf meinen kleinen Sohn aus. Kaum laufen können, aber Papas wichtigste Kommunikationsmittel verstecken! Und wenn ich ihn fragen würde, wo er es versteckt hat, würde er dies mit einem freundlichen „gaga-brabbelbrabbel“ erwidern. Also muss ich dem Klingeln nachgehen. Es ist ein dumpfes Klingeln, irgendwo aus dem Nichts. Ich suche. Die ersten Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn. Es muss was ganz wichtiges sein, wenn jetzt einer anruft. Ich renne von einem Eck meines Büros in das nächste. Hier ist es nicht. Ist es dort? Dann sehe ich das Telefon. In der großen Spielkiste meines kleinen Sprösslings liegt das Telefon. Neben Lego-Steinen und Plüschtieren. Es klingelt nach wie vor. Es MUSS was wichtiges sein. Ich greife nach dem Hörer, melde mich mit einem hektischen „Ja?“ und eine freundliche Stimme aus einem Callcenter fragt mich, ob ich eine Minute Zeit hätte.
Das war also der wichtige Anruf. Ob ich mich in Finanzen gut auskennen würde und ob bei mir alles in Ordnung sei. Genervt erkläre ich, dass ich sehr gut versichert sei, eh kein Geld habe und auch keine Zeit, mich darüber zu unterhalten. Ich lege auf, werfe das Mobilteil zurück in die Spielkiste des Sprösslings und verspreche mir selbst, dass ich nie wieder so in Panik verfalle.
Doch damit ist es jetzt vorbei. Gestern hat der Bundestag den Gesetzesentwurf gegen unerwünschte Telefonwerbung verabschiedet. Mit den Stimmen der großen Koalition und der FDP hat das Parlament den umstrittenen Regierungsvorstoß zum besseren Schutz der Verbraucher gegen unerwünschte Werbeanrufe mit kleinen Änderungen abgesegnet. Die Grünen lehnten das Vorhaben ab, die Linken enthielten sich. Gemäß dem Gesetzesentwurf zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung drohen Telefon-Spammern künftig Geldbußen bis zu 50.000 Euro. Erlaubt werden Werbeanrufe nur, wenn der Betroffene vorher ausdrücklich dazu seine Genehmigung erteilt hat. Zudem sollen Verbraucher mehr Möglichkeiten bekommen, am Telefon abgeschlossene Verträge etwa über Zeitschriftenabonnements oder Wett- und Lotteriedienstleistungen zu widerrufen. Die Frist wird abhängig vom Einzelfall zwischen zwei Wochen oder einem Monat betragen. Sie soll beginnen, wenn der potenzielle Vertragspartner eine Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform erhalten hat.
Ob mich nun also wirklich niemand mehr am Telefon belästigen wird? Wir werden sehen. In drei Jahren wird das Gesetz erneut überprüft. Ob mein Sohnemann dann immer noch mein Mobiltelefon versteckt?