Mit der Lizenz zum Mogeln

Die Europäische Union macht es möglich. Ab dem 11. April 2009 entfallen fast alle verbindlichen Mengenvorgaben für Lebensmittel. Mit diesem Datum wird eine EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. So durften bisher Erzeugnisse in Fertigpackungen nur in die für sie festgelegten Füllmengen verkauft werden. Dies ist der Grund, weshalb in deutschen Supermärkten beispielsweise Milch nur in 0,5 Liter, 0,75 Liter und 1 Liter-Verpackungen angeboten wurden. Der Kreativität der Konzerne ist jetzt Tür und Tor geöffnet, denn die festen Einheiten fallen nun für Milch und weitere Lebensmittel wie Wasser, Limonade, Fruchtsäfte, Zucker oder Schokolade weg, wie die Verbraucherzentrale Hamburg heute berichtet.
„Auch bei viel gekauften Lebensmitteln werden die Verbraucher künftig mit versteckten Preiserhöhungen hinters Licht geführt werden“, befürchtet Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Masche, geringere Füllmenge bei gleichem Preis, wird schon jetzt bei vielen Produkten angewendet, etwa bei Süßigkeiten, Säuglingsnahrung und Frühstückscerealien sowie bei Non-Food Artikeln.
Beispielsweise bei Pampers Windeln, so die Verbraucherzentrale Hamburg, wurde die Anzahl der Windeln in der Packung reduziert (10 Prozent Preiserhöhung) und beim Geschirrspülmittel Calgonit Power Powder das Gewicht verringert (20 Prozent Preiserhöhung). Preiserhöhungen sind zwar nicht verboten, Mogelpackungen schon. Wer zuviel Luft in die Verpackung lässt, verstößt gegen gesetzliche Regelungen. Doch dies muss von Fall zu Fall geprüft werden.
Doch auch im Obst- und Gemüsebereich stelle die Verbraucherzentrale Mogelpackungen fest. So fanden die Tester abgepackte Paprika, der nicht wie üblich in 500g Gebinden, sondern in Plastikfolie mit 400g, Cocktail-Tomaten in 400g-Plastikschalen statt in den üblichen 500g-Verpackungen angeboten wurde.
„Nur anhand des erhöhten Grundpreises können Verbraucher den Anbietern auf die Schliche kommen. Der Packungspreis ist letztendlich für Preisvergleiche uninteressant.“ sagt Armin Valet. Doch wird der Grundpreis vom Handel nur unzureichend ausgezeichnet. Eine weitere Tücke für Verbraucher: Der Grundpreis wird gesetzlich nur für Gewichts- und Volumenangaben verlangt. Für Produkte, die pro Stück abgegeben werden, wie etwa Feuchttücher und Toilettenpapier ist der Grundpreis nicht vorgeschrieben.
Schon 2005 stellte die Verbraucherzentrale fest, dass Großpackungen bei Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs nach wie vor oft teurer als Kleinpackungen angeboten werden. Im Mai und Juni 2006 untersuchten die Hamburger Verbraucherschützer in Zusammenarbeit mit der Redaktion sternTV 55 Großpackungen in Hamburg und Köln. Ergebnis: Für die Verbraucher hat sich nichts gebessert. Hersteller und Geschäfte machen noch immer Profit mit teuren Großpackungen. Den Vogel schoss die Murnauers Totes Meer Q 10 Anti-Falten Creme ab, bei der die Großpackung 227 Prozent teurer war als die kleine Packung. Die teuerste Großpackung im Lebensmittelbereich war die Pralinenmischung Merci Finest Selection, bei der die Großpackung 54 Prozent mehr kostet als die entsprechende Menge der kleineren Packung.

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